es gilt das gesprochene Wort
Herr Einwohnerratspräsident, Statthalter, geschätzte Kolleg*innen
18 Millionen budgetiertes Defizit für das Jahr 2025, 11 Millionen reales Defizit für 2024. Und auch für die Folgejahre sieht es nicht gut aus. Als Reaktion ein dreistufiger Plan bestehend aus unsozialen Kürzungen und Sparmassnahmen und einer sakrosankten generellen Aufgabenüberprüfung. Wenn das dann alles nichts nützt, schaut man 2028 weiter. Wahrscheinlich wird dann die Sozialhilfe gestrichen. Und im Zweifel ist sowieso der Kanton schuld. Dass Kinderbetreuung für junge Familien vergünstigt und die Arbeitsbedingungen der Fachpersonen Betreuung verbessert werden: Brauchen wir sowieso nicht. Das Andreashaus als wichtiger Pfeiler und Treffpunkt im Niederholzquartier: Sahnehäubchen. So lässt sich die aktuelle Finanzpolitik wohl zusammenfassen. Mutlos, disruptiv und ohne nachhaltige Lösungen. Das spiegelt sich nach dem AFP im Januar nun auch im Jahresbericht deutlich nieder.
Später in dieser Sitzung wird ein Anzug behandelt, der gut zusammengefasst wichtige Antworten liefert. Vor allem eigentlich eine Antwort liefert: Die aktuelle finanzielle Situation dieser Gemeinde ist hausgemacht und sie ist die Folge von Steuersenkungen für die Reichen und Vermögenden. Auch der Kanton hat Millionen verschenkt, jeweils mit dem Segen von Riehen. 13 Millionen CHF hat man damit verschenkt. Unbegründet und freiwillig, mit fatalen Folgen nun für die Gemeindekasse, also im Endeffekt für die Menschen, die von Leistungen abhängig sind oder die schlichtweg eine funktionierende Infrastruktur wollen. Auch für die Kohäsion der Gemeinde ist es fatal, wenn Orte wie das Andreashaus aufgrund selbstverschuldeter Finanzmisere sterben. Für die Personen im globalen Süden ist es fatal, wenn sie auf Entwicklungsgelder verzichten müssen.
Und Nein, es sei festgehalten, Schuld an der Finanzsituation ist nicht die kantonale Kita-Initiative der SP. Denn einerseits bringt diese einen Mehrwert für die Gesellschaft, der die finanziellen Mehrkosten um einiges überwiegt. Und ausserdem war es nicht die linke SP-Initiative, sondern ein breit abgestützter Kompromiss/ Gegenvorschlag, der von vielen Parteien mitgetragen wurde. Zu den finanziellen Auswirkungen dieses Entscheid kann man noch sagen: Zum ersten Mal entspricht die Nutzung auch mehr oder weniger dem effektiven Bedarf. Wir hoffen also, wir können dieses „Der Kanton und die Kita-Initiative ist schuld“-Märchen bald ad acta legen.
Jeden Rappen umzudrehen, um dann am Ende festzustellen, was wir heute schon wissen, bringt nun definitiv auch nichts. Ob jetzt oder 2028, wir wissen:
- Die meisten kostenintensiven Posten sind gesetzlich gebunden, Sparmassnahmen und Kürzungen sind also nicht so einfach möglich.
- Riehen schöpft nicht ihr ganzes Steuerpotential ab, das in den FILA-Verträgen festgehalten ist.
Dadurch, dass wir es schon jetzt besser wissen, können wir es auch schon jetzt besser machen. Was es braucht, um die Situation in den Griff zu kriegen: Gezielte einnahmeseitige Massnahmen! Das Rückgängigmachen von Steuersenkungen (2016 und 2019), wo die oberen Prozente, also die Reichen und Vermögenden treffen, sind kein Verbrechen, keine Schande. Im Gegenteil: Sie helfen dem Gemeindekässeli aus der Sackgasse und verringern die Vermögens- und einkommensungleichheit – zumindest ansatzweise. Wir erwarten, dass der Gemeinderat – besser spät als nie – auch noch auf diese Idee kommt. Auch ohne Retraite.
Oder man erhöht die Parkkartengebühren. Hier haben wir die Möglichkeit, gezielt, moderat (man muss sich ja nicht unbedingt direkt der Stadt angleichen) und progressiv gestaltet Gelder reinzuholen – ohne dabei rot zu werden. Die Liste von einnahmeseitigen Massnahmen ist nicht abschliessend.
Nebst dem finanziellen Missmanagement, welches der bürgerliche Gemeinderat seit Jahren betreibt, kommt noch weiteres Gouvernanzversagen hinzu. Teilweise bedingt das eine auch das andere, das ist klar.
Um einige Beispiele zu nennen: Man verschiebt die Überarbeitung des kommunalen Richtplans. Oder verspricht einen Mehrwertabgabefonds, über den man alles mögliche bezahlen will, aber bringt die Vorlage wider Versprechen einfach nicht. Oder – wie es auch die GPK bestens festhält – man hat schlichtweg kein aktuelles Velokonzept mehr. Die Steigerung von “kein aktuelles Velokonzept” ist “kein Gesamtverkehrskonzept”. Denn dieses fehlt auch. So kann man mit Fug und Recht behaupten: Riehen hat kein schlechtes Gesamtverkehrskonzept – sie hat gar keines. Als reger Verkehrsteilnehmer finde ich das schon ziemlich happig.
Und als Hinweis an die FDP: Nein, diese Versäumnisse kommen nicht daher, dass die Verwaltung am 2. Mai nicht arbeitet, sondern daran, dass politische Führung und die finanziellen/ personellen Ressourcen fehlen.
Und bevor ich noch zu den technischen Rückmeldungen der SP Fraktion komme, verweise ich wie bereits in der Januar-Sitzung auf die Legislaturziele des Gemeinderates:
- Riehen als attraktiver Wohnstandort
- Sorge für die Umwelt
- nachhaltigen Finanzpolitik
Damit ich nicht noch mehr langweile, können Sie sich ja selbst überlegen, wie nah die Ziele der Realität kommt.
Die Fraktion der SP/ JUSO dankt der Verwaltung für die geleistete, alltägliche und professionelle Arbeit, die im Spannungsfeld von Finanzsorgen, Ressourcenmangel und der Politik, “die immer reinredet”, keine einfache ist.
Für die Lesbarkeit des Jahresberichts geben auch wir gerne zu Protokoll, dass die Darstellung der Zahlenaufstellung oder auch die teilweise redundante und nichtssagende Auflistung von Entwicklungszielen und dem Bericht zur Massnahme verbesserungswürdig ist. Doch weil wir uns hier ständig in einem Lernprozess befinden, sind wir optimistisch, dass dies über die Erfahrung immer besser werden wird.
Und weil ich gerne die Tradition unseres Fraktionspräsidiumsvorgänger weiterführe, ende ich mit einem Zitat, das Albert Einstein zugewiesen wird und das vielleicht irgendwie Hoffnung gibt: “In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten“
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!